In Kücknitz, genauer gesagt in der Gemarkung Waldhusen/Pöppendorf befand sich nach dem Zweiten Weltkrieg eines der größten Flüchtlingslager Deutschlands.
Im Juli 1945 errichtete die Britische Militärregierung das „Lager Pöppendorf“ im Waldhusener Forst in der Nähe des Bahnhofs Kücknitz als Entlassungslager für Wehrmachtsangehörige aus Norwegen. Ab Oktober 1945 wurde es als Durchgangslager für deutsche Flüchtlinge aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten genutzt. Mit insgesamt fast 1 Mio. Flüchtlingen und Vertriebenen während der Existenz des Lagers war Pöppendorf damals das größte Lager in ganz Schleswig-Holstein. Bis zum Sommer 1947 wurde es darüber hinaus auch für die Rückführung polnischer und baltischer sogenannter „displaced persons“, ehemaliger Zwangsarbeiter/innen genutzt. Im Herbst wurden hier schließlich im Rahmen der Operation Oasis tausende jüdische Flüchtlinge der Exodus untergebracht. Das Lager wurde bis zum Sommer 1950 als Flüchtlingsdurchgangslager genutzt. Danach wurde das Lager abgerissen. Heute leben nur noch wenige Zeitzeugen und es ist nur noch wenigen, ortskundigen Personen die Lage dieses für Lübeck und das Land so bedeutenden historischen Ortes bekannt.
Es ist wichtig, das die Hansestadt und ihr Ortsteil Kücknitz sich dieses Erbes bewusst ist, und es ist lohnend, an die dramatischen Geschehnisse dieser Zeit zu erinnern, die Leistungen der Stadt und der Menschen zu reflektieren, sie aufzuarbeiten und den heute lebenden Bürgern der Stadt und insbesondere der jungen Generation zu vermitteln.
Wehrmachtsentlassungsstelle [nach oben]
Das Flüchtlingsdurchgangslager Pöppendorf ist aus der Wehrmachtsentlassungsstelle X. – Travemünde hervorgegangen.
Am 20. Juli 1945 wurde sie auf Befehl des 8. Britischen Corps zur Entlassung der aus Norwegen heimkehrenden deutschen Kriegsgefangenen eingerichtet. Sie dehnte sich im Waldhusener Forst über ein Gebiet von 4.500 m² aus.
68 Offiziere und 565 Unteroffiziere und Mannschaften trafen am 25. Juli 1945 im Waldhusener Forst ein, um das Lager als Entlassungsstelle für ehemalige Soldaten auszubauen. Es wurden mehrere Lagerbereiche mit eigener Kochstelle und Sanitätsstelle angelegt. Das Hauptverpflegungslager wurde im Saal des Gasthauses Waldhusen eingerichtet. Für die englische Militärpolizei wurde ein Zeltlager aufgebaut. Am 3. August waren die vorbereitenden Arbeiten abgeschlossen.
Am 4. August legte das erste Schiff mit deutschen Kriegsgefangenen aus Norwegen in Travemünde an. Die in Pöppendorf eintreffenden deutschen Soldaten wurden auf einer Wiese bei Waldhusen gesammelt und nach ihren Heimatprovinzen aufgeteilt zusammengefasst. Sie übernachteten in eigenen Zelten oder unter freiem Himmel.
Täglich wurden 800-1000 Mann von der im Dorfe Pöppendorf befindlichen britischen Dienststelle zur Überprüfung, Registrierung und Aushändigung der Entlassungspapiere angefordert. Im Anschluss daran wurden sie in Sammeltransporten mit Lastkraftwagen oder Zügen in ihre jeweiligen Entlassungsbezirke transportiert.
Am 3. Oktober 1945 war die Entlassungsaktion der Norwegenheimkehrer abgeschlossen. 78 550 Soldaten waren in einem Zeitraum von 2 Monaten durch das Lager geschleust und wieder ins bürgerliche Leben entlassen worden.
Flüchtlingsdurchgangslager [nach oben]
Nach der Entlassung der Norwegenheimkehrer in Pöppendorf bestimmte die britische Militärregierung am 12. Oktober 1945 die Umstellung der Wehrmachtsentlassungsstelle auf ein Flüchtlingsdurchgangslager.
Am 22. Dezember 1945 wurde das Flüchtlingsdurchgangslager Pöppendorf vom Oberpräsidenten der Provinz Schleswig-Holstein übernommen und verwaltungsmäßig der Hansestadt Lübeck unterstellt.
Seit dem Eintreffen der ersten Umsiedler aus der russischen Zone am 13. November 1945 hat Pöppendorf im Rahmen der großen Umsiedlungsaktionen, einschließlich der das Lager durchwandernden Einzelgänger, bis zum 31. Juli 1950 insgesamt 615 218 Flüchtlinge, Umsiedler und Heimkehrer ärztlich untersucht, beköstigt, untergebracht und an ihre Bestimmungsorte weitergeleitet.
In der insgesamt fünfjährigen Tätigkeit des Flüchtlingsdurchgangslager Pöppendorf lassen sich dabei drei Phasen unterscheiden. Zunächst wurden aus der sowjetisch besetzten Zone in Pöppendorf eintreffende Umsiedler und Flüchtlinge in die verschiedenen Kreise des Landes Schleswig-Holsteins zur Unterbringung weitergeleitet. Nach dem alle Unterbringungskapazitäten ausgeschöpft waren wurden ab dem 27. Juli 1946 die eintreffenden Flüchtlinge und Vertriebenen in andere Länder in der britischen Besatzungszone weitergeleitet. Mit der Eröffnung des Flüchtlingsdurchgangslagers Uelzen als alleiniges zentrales Durchgangslager für die britische Zone am 25. August 1949 wurden vor Ort nur noch einzelne Flüchtlinge aufgenommen, die eine konkrete Zuweisung oder eine berechtigten Aussicht auf eine Zuzugsgenehmigung hatten.